1. Einführung

Die Demenz ist eine neurologische Erkrankung des höheren Lebensalters. Sie stellt sich als Krankheitssyndrom dar, das sich als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Degeneration des Gehirns ausbildet. In Deutschland leiden ca. 1,8 Millionen  Patienten an einer dementiellen Erkrankung, in Baden-Württemberg sind es rund 215.000 Betroffene Frauen sind nach derzeitigem Wissen häufiger betroffen als Männer.

Die Leitlinien der Fachgesellschaften unterscheiden sechs verschiedene Demenzformen:

  •      Demenz bei Alzheimerkrankheit (60% bis 80 %)
  •      Vaskuläre Demenz (5% bis 10 %)
  •      Mischtypen der beiden vorgenannten Demenzformen
  •      Frontotemporale Demenz
  •      Demenz bei Morbus Parkinson
  •      Lewy-Körperchen-Demenz

Demenzerkrankungen sind definiert durch den Abbau und Verlust kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen. Allen Demenzformen gemein sind die klassischen Symptome der Erkrankung: Störungen vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnisleistung, Denken, Orientierungsvermögen, Auffassungsgabe, Rechnen-, Sprech- und Lernfähigkeit, Einschränkungen im Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung, Verlust von Alltagskompetenzen bis hin zur vollständigen Unselbständigkeit. Das Bewusstsein ist nicht getrübt, auch sind die Sinnesorgane nicht wesentlich eingeschränkt. Ein typisches Verhaltensmuster mit Ängstlichkeit, Verwirrtheit, Aggressivität und Agitation findet sich gleichermaßen bei allen Demenzformen. Insbesondere begleitend auftretende psychiatrische Störungen sind für die Betroffenen belastend und erschweren die Betreuung und Pflege.
Die genannten Formen sind (mit der einzigen Ausnahme der vaskulären Demenz) streng progredient verlaufende Erkrankungen und führen im Laufe der Zeit zu vermehrter Pflegebedürftigkeit und letztlich zum Tod. Bislang fehlen mit Ausnahme für die vaskuläre Demenz überzeugende therapeutische Ansätze, die die Entwicklung der Erkrankung verhindern, deren Progression verlangsamen oder die manifeste Erkrankung gar heilen können.
Die 11. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO (ICD-11) dient der Verschlüsselung medizinischer Diagnosen und ist eine Weiterentwicklung der ICD-10. Sie wurde im Mai 2019 verabschiedet und ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Jedoch wird sie derzeit noch nicht regelhaft in Deutschland angewendet. Die Definition der Demenzen stützt sich im Folgenden daher auf die Klassifizierung nach ICD-10.
Entsprechend ICD-10 werden die Demenzerkrankungen ätiologisch kodiert, falls dies möglich ist. Im Regelfall basiert die ätiologische Zuordnung auf klinischen Kriterien. Apparative Zusatzdiagnostik in Form von Biomarker und Bildgebung ist Teil der Kriterien einzelner Demenzformen.
 

Definition der verschiedenen Demenzformen nach ICD-10-GM


Alzheimer-Demenz (AD)
Die Alzheimer-Krankheit ist eine primär degenerative, zerebrale Krankheit mit weitgehend unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neurochemischen Merkmalen. Sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich langsam aber stetig über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Sinne (Sinnesorgane, Wahrnehmung) funktionieren im für die Person üblichen Rahmen. Gewöhnlich sind die Kernsymptome begleitet von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Beeinträchtigungen. 60 bis 80 Prozent der Demenzerkrankten sind dem Alzheimer-Typ zuzuordnen.

Vaskuläre Demenz (VD) 
Die vaskuläre Demenz ist das Ergebnis meist mehrerer Schlaganfälle als Folge einer vaskulären Krankheit, einschließlich einer zerebrovaskulären Hypertonie. In seltenen Fällen kann eine einzige massive Infarzierung die Ursache sein. Die Infarkte sind meist klein, kumulieren aber in ihrer Wirkung. Der Beginn liegt gewöhnlich im späteren Lebensalter. Im Gegensatz zu den anderen Demenzformen können bei der vaskulären Demenz auch längere Phasen ohne Progredienz bzw. Phasen mit leichter Besserung im Krankheitsverlauf auftreten, wenn es gelingt, die vaskuläre Krankheit aufzuhalten. 5 bis 10% der Demenzerkrankten leiden an einer vaskulären Demenz. 

Gemischte Demenz bei Alzheimer Erkrankung 
Gemischte Demenzen bilden eine eigenständige Untergruppe. Es bestehen insbesondere Mischformen zwischen vaskulärer Demenz und Alzheimer Demenz. Nach der aktuellen Leitlinie wird empfohlen, spezifische gemischte Pathologien zu benennen und nicht die weniger spezifische Klassifikation „gemischte Demenz“ zu verwenden. Es existieren keine etablierten wissenschaftlichen Kriterien für die Behandlung gemischter Demenzen.

Frontotemporale Demenz (FTD) / Pick-Krankheit
Die FTD (auch Pick-Krankheit genannt) stellt eine progrediente Demenz mit im Vergleich zu den anderen degenerativen Demenzformen deutlich früherem Beginn im mittleren Lebensalter, charakterisiert durch frühe, langsam fortschreitende Persönlichkeitsänderung und Verlust sozialer Fähigkeiten, dar. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch Beeinträchtigungen von Intellekt, Gedächtnis- und Sprachfunktionen begleitet von Apathie, Euphorie und gelegentlich auch von extrapyramidalen Phänomenen. 

Demenz bei Parkinson-Krankheit (DbP)
Eine Demenz, die sich im Verlauf einer Parkinson-Krankheit entwickelt, kann ein von der klassischen Alzheimer-Demenz abweichendes Störungsmuster haben. Im Unterschied zur Alzheimer-Demenz, bei der Gedächtnisstörungen im Vordergrund stehen, dominieren bei der Parkinson-Demenz andere Störungen, wie Aufmerksamkeitsstörungen und ein verlangsamtes Denkvermögen. Die Behandlungskriterien unterscheiden sich von der Alzheimer-Demenz insofern, dass Parkinsonmedikamente, die tendenziell Demenz verstärken, durch andere ersetzt werden sollen.

Lewy-Körperchen-Demenz (LKD)
Die Demenz mit Lewy-Körpern wird durch die ICD-10-GM nicht näher definiert. Sie wird zu den Demenzen bei „anderenorts klassifizierten Krankheitsbildern“ zugeordnet.
Das zentrale Merkmal der LKD ist eine Demenz mit so hohem fortschreitendem kognitivem Abbau, dass die normalen sozialen oder beruflichen Funktionen oder die üblichen täglichen Aktivitäten beeinträchtigt sind. Ausgeprägte oder anhaltende Gedächtnisstörungen müssen nicht unbedingt in den frühen Stadien auftreten, sind aber in der Regel mit fortschreitender Erkrankung erkennbar. Defizite bei Tests der Aufmerksamkeit, der Exe-kutivfunktionen und der visuell-perzeptiven Fähigkeiten können früh auftreten und besonders ausgeprägt sein. 

Leichte kognitive Störung
Die leichte kognitive Störung (mild cognitive impairment, MCI) ist ein wichtiges Früh- oder Risikosyndrom von Demenzerkrankungen und wird in der klinischen Praxis zunehmend diagnostiziert. Grundsätzlich ist die leichte kognitive Störung syndromal über das Vorliegen objektiver kognitiver Beeinträchtigungen definiert, die eine Verschlechterung von einem unbeeinträchtigten Ausgangsstadium darstellen, aber nicht so stark ausgeprägt sind, dass sie die selbstständige Lebensführung beeinträchtigen. 
Die Diagnose der leichten kognitiven Störung nach ICD-10 (F06.7) ist weit gefasst und bezieht sich auf kognitive Störungen bei verschiedenen, auch transienten körperlichen Erkrankungen, die nicht die Schwere einer Demenz oder eines Delirs erreichen. 
Den Empfehlungen einer möglichsten frühen Diagnosestellung hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) in Teilen in Sondervoten widersprochen. Sie verweist darin zum einen auf das Risiko einer erhöhten Rate an Suizidversuchen bei Patienten, denen diese Diagnose eröffnet wird und auf das Recht der Patienten auf Uninformiertheit Sie sieht keine eindeutige Evidenz für den Vorteil einer frühen Diagnosestellung.