ADHS-Therapie

Indikationsstellung zur medikamentösen Therapie und Wirkstoffauswahl
Bei Kindern darf sich die Diagnose nicht allein auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Symptome stützen (Verwendung der ICD-10 oder DSM-5 Kriterien). Die Diagnosekriterien erfordern das Vorliegen von zumindest moderaten funktionalen Beeinträchtigungen. Weiterhin ist entscheidend, dass die Symptome (Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizit und Impulsivität) und die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen auftreten. Wenn die Symptomatik nur in einem Lebensbereich auftritt (z.B. nur in der Schule/bei der Arbeit, nur in der Familie), kann dies ein Hinweis auf andere psychische Störungen (z.B. Anpassungsstörungen aufgrund von Belastungen in der Familie oder der Schule) sein, die es differenzialdiagnostisch abzuklären gilt.
Bei Erwachsenen erfolgt die Diagnose angelehnt an DSM-5 Kriterien oder Richtlinien in ICD-10 und basiert auf einer vollständigen Anamnese und Untersuchung des Patienten. Diese schließen ein strukturiertes Interview mit dem Patienten zur Erfassung der aktuellen Symptome, inkl. Selbstbeurteilungsskalen ein. Die retrospektive Erfassung des Vorbestehens einer ADHS im Kindesalter muss anhand eines validierten Instrumentes (Wender-Utha-Rating-Scale-Kurzform (WURS-k)) erfolgen.
Quelle: Ziffer 44 Anlage III AM-RL des G-BA; Verordnungsforum 50 (KV BW)  S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ (05/2017, in Überarbeitung) 

Stimulanzien (z.B. Methylphenidat)
Nach Ziffer 44 Anlage III der Arzneimittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Stimulanzien von der Erstattungsfähigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung ausgeschlossen.
Ausgenommen hiervon sind Verordnungen zur Behandlung der Narkolepsie. Zur Behandlung der Hyperkinetischen Störung bzw. Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS / ADHS) bei Kindern (ab 6 Jahren), Jugendlichen und Erwachsenen, deren Erkrankung bereits im Kindesalter bestand, ist die Verordnung nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie, wenn sich andere Maßnahmen allein als unzureichend erwiesen haben, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich.
Der Einsatz von Stimulanzien ist im Verlauf besonders zu dokumentieren, insbesondere die Dauertherapie über 12 Monate sowie die Beurteilung der behandlungsfreien Zeitabschnitte, die mindestens einmal jährlich erfolgen sollten.
Quelle: Ziffer 44 Anlage III AM-RL des G-BA

Atomoxetin
Psychostimulanzien stellen die Mittel der ersten Wahl in der ADHS-Behandlung dar, in Deutschland in erster Linie Methylphenidat in nicht retardierter oder bei Bedarf in retardierter Form. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Atomoxetin die Symptome der ADHS effektiver reduziert oder nebenwirkungsärmer ist als andere medikamentöse Therapien. Atomoxetin kann in seltenen Fällen suizidales und aggressives Verhalten begünstigen oder auslösen.
Für einen indikationsgerechten Einsatz von Atomoxetin bei Erwachsenen muss bestätigt werden, dass die ADHS-Symptome bereits in der Kindheit vorhanden waren. Eine Bestätigung durch Dritte sollte hierbei erfolgen. Eine Atomoxetin-Behandlung darf nicht begonnen werden, wenn nicht sicher ist, dass ADHS-Symptome in der Kindheit vorhanden waren.
Quelle: KBV - Wirkstoff aktuell zu Atomoxetin (12/2005); Fachinformationen Atomoxetinhaltiger Fertigarzneimittel

Lisdexamfetamindimesilat
Lisdexamfetamindimesilat ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) bei Kindern ab einem Alter von sechs Jahren indiziert, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird.
Für Lisdexamfetamindimesilat ist kein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie belegt. Als zweckmäßige Vergleichstherapie wurde bei einem zuvor unzureichenden Ansprechen auf Methylphenidat Atomoxetin herangezogen. Evidenzbasierte Daten für eine Überlegenheit eines Wirkstoffs gegenüber dem anderen liegen hierbei nicht vor.
Lisdexamfetamindimesilat ist zur Behandlung von Erwachsenen nicht zugelassen.
Quelle: Beschluss des GBA zur Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V – Lisdexamfetamindimesilat (11/2013); KBV - Wirkstoff aktuell zu Lisdexamfetamin (10/2015)

Guanfacin
Guanfacin ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 - 17 Jahren indiziert, für die eine Behandlung mit Stimulantien nicht in Frage kommt oder unverträglich ist oder sich als unwirksam erwiesen hat.
Guanfacin darf somit nur dann eingesetzt werden, wenn der Behandlungserfolg nach Therapieversuchen mit Methylphenidat, Dexamfetamin oder Lisdexamfetamin ausgeblieben ist oder wenn Stimulanzien nicht vertragen werden. Bei Erwägung des Einsatzes gegenüber den bestehenden Alternativen muss das hohe Nebenwirkungspotenzial berücksichtigt und der Einsatz sorgfältig abgewogen werden.
Quelle: KBV - Wirkstoff aktuell zu Guanfacin (04/2016)

Präparateauswahl
Es sind vorzugsweise - unter Beachtung ggf. bestehender Rabattverträge - generisch verfügbare Präparate zu verordnen.
Sollte eine reine Wirkstoffverordnung erfolgen, trägt der Apotheker die Verantwortung für die Auswahl des im jeweiligen Fall wirtschaftlichen Präparates. Die Wirtschaftlichkeit der Wirkstoffauswahl bleibt aber auch in diesem Falle weiterhin in der Verantwortung des verschreibenden Arztes.

Verordnungsmenge
Nach den Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ist vor jeder Wiederholung einer Verordnung von Arzneimitteln zu prüfen, ob diese erforderlich ist und ob die verordnete Menge mit der vorgesehenen Anwendungsdauer übereinstimmt; dabei ist insbesondere auf Arzneimittelmissbrauch, -gewöhnung oder -abhängigkeit zu achten. Die in der Fachinformation der entsprechenden Fertigarzneimittel angegebenen Tageshöchstdosen sind Teil der Zulassung. Eine Dosierung über diese Dosen ist somit ein Off-Label-Use. Dieser stellt nur in Einzelfällen eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung dar.