3. Indikationsstellung
Die Indikation zur AIT wird bei kumulativer Erfüllung folgender Voraussetzungen gestellt:
- Moderate bis schwere intermittierende und persistierende allergische Rhinitis/Rhinokonjunktivitis und/oder zumindest teilkontrolliertes allergisches Asthma
- Nachweis einer Immunglobulin-E (IgE)-vermittelten Sensibilisierung mit Hauttestung und/oder in-vitro Diagnostik
- Eindeutiger Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik, ggf. ist eine Provokationsdiagnostik durchzuführen (bspw. bei Hausstaubmilben). Insbesondere sollte bei Nachweis einer Sensibilisierung gegen perenniale Allergene vor dem Einsatz einer spezifischen Immuntherapie die klinische Relevanz durch eine Provokationstestung (sofern Testsubstanzen vorhanden sind) unter Berücksichtigung der Kontraindikationen überprüft werden. Bei Kindern kann auf diese Provokation verzichtet werden.
- Fortbestehende klinisch relevante Symptome trotz symptomatischer Therapie und/oder Maßnahmen der Allergenkarenz (sofern möglich). Bei Hausstaubmilben sollte der Versuch einer Allergenkarenz über drei Monate durchgeführt werden (Einsatz milbendichter Matratzenüberzüge, waschbare Bettdecken und weitere Maßnahmen zur Hausstaubmilbenallergenreduktion).
- Wirksamkeitsnachweis der geplanten AIT für die jeweilige Indikation und Altersgruppe (Bei fehlender Zulassung für eine Altersgruppe nach Möglichkeit auf Präparate mit Zulassung in einer anderen Altersklasse zurückgreifen)
- Patientenalter ≥ 5 Jahre
3.1 Indikationsstellung zur Mehrfachhyposensibilisierung
Nicht selten zeigen Patienten eine Polysensibilisierung, sei es gegen saisonale und perenniale Allergene oder gegen mehrere nicht homologe (z.B. Gräser- / Baumpollen) saisonale Allergengruppen.
Die Indikation zur Mehrfachhyposensibilisierung (Therapie mit zwei oder mehreren Extrakten) mit homologen Extrakten sollte gut dokumentiert sein und nur bei Patienten mit klinisch eindeutiger und klinisch relevanter Symptomatik gestellt werden. Sie besteht nur dann, wenn für jedes der zu therapierenden Allergene (Allergengruppen) die obigen Voraussetzungen zur Indikationsstellung einer AIT kumulativ erfüllt sind und das Vorliegen derselben ausreichend dokumentiert ist. Bei entsprechender Datenlage ist der Einsatz von getrennten Extrakten gegenüber Mischextrakten zu bevorzugen.
Insbesondere sollten bei Fällen mit Mehrfachhyposensibilisierung die klinischen Symptome eindeutig mit dem Sensibilisierungsmuster übereinstimmen. Das Vorliegen einer Sensibilisierung ohne eindeutig dazu passende Symptome rechtfertigt den Einsatz einer AIT nicht.
Zudem ist zu beachten, dass saisonale und ganzjährige Allergene grundsätzlich nicht in einem Extrakt gemischt werden.
Beispielsfall:
Ein Patient mit einer klinisch eindeutigen allergischen Rhinokonjunktivitis nur saisonal im Frühjahr ohne jegliche perenniale Beschwerdesymptomatik einhergehend mit einer nachgewiesenen Frühblüher- und Hausstaubmilbensensibilisierung benötigt nur eine AIT mit einem Frühblüherextrakt, nicht jedoch mit einem Hausstaubmilbenextrakt.
3.2 Indikationsstellung bei seltenen Allergenen
Im Vergleich zu den zulassungspflichtigen Hauptallergengruppen zur Therapie atopischer Schleimhauterkrankungen (Gräser, Baumpollen, Hausstaubmilben) existieren aktuell nur begrenzte Studien zur Therapie mit selteneren Allergenen. So konnte ein Wirksamkeitshinweis der AIT bei Katzen- und Hundeallergie nur durch wenige Studien untermauert werden. Für eine AIT mit Allergenextrakten anderer Tierarten gibt es nur Einzelberichte. Ebenso ist die Wirksamkeit der AIT bei Schimmelpilzallergie (Alternaria alternata, Cladosporium herbarum) nur durch wenige Studien gestützt. Die Durchführung einer AIT sollte mit diesen Allergenextrakten nur bei sehr strenger Indikationsstellung erfolgen. Beachten Sie bezüglich der Indikationsstellung die obigen Ausführungen und hier insbesondere die Voraussetzung der Allergenkarenz.
3.3 Indikationsstellung bei Insektengiftallergie
Etwa 3,5% der Bevölkerung entwickeln nach einem Hymenopterenstich (z.B. Biene oder Wespe) eine anaphylaktische Allgemeinreaktion. Eine Indikation zur spezifischen Immuntherapie bei einer Allergie auf Hymenopterengift wird gesehen bei Patienten mit einer Bienen- oder Wespengiftallergie bei klinischer Allgemeinreaktion Schweregrad I-IV und Nachweis einer Sensibilisierung (Hauttestung, spezifisches Serum-IgE) auf das reaktionsauslösende Gift. Bei der in-vitro Diagnostik hat sich die Komponenten-basierte Diagnostik einschließlich der Serum-Tryptase als hilfreich erwiesen.
Bei Vorliegen einer alleinigen gesteigerten Lokalreaktion nach einem Hymenopterenstich wird in der Regel keine Indikation zur AIT mit Insektengift gestellt. In Einzelfällen ist dies jedoch unter Berücksichtigung patientenindividueller Begleitumstände begründbar. Es sollte beachtet werden, dass insbesondere Insektengiftallergien potentiell lebensgefährdend sind und eine starke bis akut lebensbedrohliche Reaktion hervorrufen können.
3.4 Kontraindikationen für AIT
Unter Beachtung der entsprechenden Fachinformationen des verwendeten Präparates, stellen sich folgende allgemeine Kontraindikationen für eine AIT dar, wobei zusätzlich die jeweilige Fachinformation zu berücksichtigen ist:
- unkontrolliertes Asthma
- Schwerwiegende Systemreaktionen
- Maligne neoplastische Erkrankungen mit aktuellem Krankheitswert
- Schwere systemische Autoimmunerkrankungen, Immundefekte, relevante Immunsuppression
- Unzureichende Adhärenz, schwere psychiatrische Erkrankungen
- Unbehandelte, chronische Infektion (zum Beispiel HIV, Hepatitis C)
Kontraindikationen für eine SLIT stellen zusätzlich dar:
- Anamnese entzündlicher gastrointestinaler Erkrankungen (zum Beispiel eosinophile Ösophagitis), akute und chronisch rezidivierende Erkrankungen sowie offene Wunden der Mundhöhle.