2. Wirkweise und relevante Nebenwirkungen

Gliflozine hemmen den Natrium- Glucose- Transporter 2 (SGLT-2), über den im proximalen Tubulus etwa 90% der glomerulär filtrierten Glucose rückresorbiert werden. Die vermehrte Glucose- und Natriumausscheidung führt zu einer Senkung der Blutglucose, einer osmotischen Diurese (mit Reduktion des intravaskulären Volumens), einer Senkung des Blutdrucks und des Körpergewichtes ohne durch den Wirkmechanismus bedingtes Hypoglykämierisiko (bei Monotherapie).
Gliflozine sind im Allgemeinen gut verträglich, dennoch gibt es relevante Risiken und Nebenwirkungen. Sehr häufige unerwünschte Wirkungen (> 1/10) der SGLT-2-Hemmer stellen Hypoglykämie (bei gleichzeitiger Anwendung mit einem Sulfonylharnstoff oder Insulin) und Volumenmangel dar. Gerade bei geriatrischen Patienten mit Begleiterkrankungen, Multimorbidität oder kognitiven Beeinträchtigungen ist die Gefahr für Hypoglykämien und Volumenmangel erhöht. In dieser Patientengruppe ist die Vermeidung der Hypoglykämie ein vorrangiges Therapieziel. Die Fachinformationen für Jardiance® und Forxiga® warnen explizit bei Patienten die 75 bzw.65 Jahre oder älter sind, vor der erhöhten Gefahr von Volumenmangel und damit auch Exsikkose. Eine altersabhängige Dosisanpassung ist jedoch nicht erforderlich.
Zu den häufigen unerwünschten Wirkungen (> 1/100), die für die Substanzklasse der SGLT-2-Hemmer beschrieben sind, gehören vaginale Candidose, Vulvovaginitis, Balanitis und andere Genitalinfektionen, Harnwegsinfektionen (einschließlich Fälle von Pyelonephritis und Urosepsis), Verstopfung, Juckreiz (generalisiert), Hautausschlag, erhöhte Urinausscheidung und erhöhte Serumlipide. Gelegentlich (> 1/1000) treten Ketoazidose, Urtikaria, Angioödem, Dysurie, erhöhte Kreatininwerte im Blut und eine Abnahme der glomerulären Filtrationsrate auf.
Die glukosesenkende Wirkung der SGLT-2-Hemmer ist bei Niereninsuffizienz mit einer GFR unter 45 ml/min vermindert und fehlt bei schwerer Niereninsuffizienz. Eine (regelmäßige) Überprüfung der Nierenfunktion wird vor der Therapie, regelmäßig während der Behandlung und vor Beginn einer Begleittherapie, die die Nierenfunktion beeinträchtigen kann, empfohlen. 
2016 warnte die europäische Arzneimittelbehörde EMA vor diabetischer Ketoazidose, Ketoazidose oder Ketose, die eine Klinikaufnahme erfordern. Die diabetische Ketoazidose (bei Typ-2-Diabetes mellitus) ist eine seltene, aber schwerwiegende unerwünschte Wirkung (> 1/10000). Patienten und Pflegende sollen über erste Zeichen einer solchen Komplikation (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, übermäßiger Durst, schnelle und tiefe Atmung, Verwirrtheit, ungewöhnliche Müdigkeit oder Abgeschlagenheit, süßlicher Geruch des Atems, süßer oder metallischer Geschmack im Mund oder ein unangenehmer Geruch von Urin oder Schweiß) informiert und sensibilisiert werden, umgehend einen Arzt aufzusuchen. Bei Azidose einschließlich Ketoazidose sollen die SGLT-2-Hemmer unverzüglich abgesetzt werden.
Es existieren für Diabetiker klare und wichtige Empfehlungen zur Vermeidung von Risikosituationen und Kriterien zum Pausieren von SGLT-2-Inhibitoren („Sick Day Rules“).
Die Einnahme von SGLT-2-Hemmern ist bei Auftreten von Fieber, mehrfachem Erbrechen oder Durchfall, Bauchschmerzen, ausgeprägtem Krankheitsgefühl zu pausieren. Die Einnahme soll auch bei Fasten (>24 Std.) oder bei begonnener, kohlenhydratarmer Diät unterbrochen werden. Anästhesiologische Fachgesellschaften empfehlen derzeit für Diabetiker unter SGLT-2-Hemmern ein Absetzen für 3 bis 5 Tage präoperativ, lassen aber das Vorgehen bei Nicht-Diabetikern wegen unzureichender Evidenz noch offen.
Sehr seltene, aber schwerwiegende unerwünschte Wirkungen (< 1/10000) sind nekrotisierende Fasziitiden der Genitalien oder des Perineums (Fournier-Gangrän). 2018 hat die FDA vor seltenen, aber schwerwiegenden nekrotisierenden Fasziitiden der Genitalien oder des Perineums unter SGLT-2-Hemmern gewarnt. Anfang 2019 wurde per Rote-Hand-Brief über die Nebenwirkung informiert. Patienten sollen darüber informiert werden, bei Druckempfindlichkeit, Rötung oder Schwellung von Genitalien oder im Bereich des Perineums mit Fieber über 38 Grad Celsius oder allgemeinem Unwohlsein umgehend einen Arzt aufzusuchen [siehe: Risiko einer Fournier Gangrän (Nekrotisierende Fasziitis des Perineums) bei der Anwen-dung von SGLT-2-Inhibitoren https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2019/20190122.pdf].
2016 hat die EMA die ursprünglich auf Canagliflozin beschränkte Überprüfung des möglicherweise erhöhten Risikos für Amputationen der unteren Extremitäten auch auf Dapagliflozin und Empagliflozin erweitert. 2017 empfahl der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC einen Warnhinweis in die Fachinformationen aller drei SGLT-2-Hemmer aufzunehmen, der auch die Wichtigkeit einer regelmäßigen vorbeugenden Fußpflege hervorhebt.