Einzelfallprüfung / Sonstiger Schaden
1. Antragsprüfungen
Die Krankenkassen und Krankenkassenverbände sowie die Kassenärztliche Vereinigung BW können die Prüfungsstelle beauftragen, einzelne ärztliche Verordnungen bezüglich der Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Der Einzelfallprüfung liegt somit ein schriftlich begründeter Antrag zugrunde.
Antrags- bzw. Festsetzungsfristen
Für Verordnungen vor 11.05.2019:
Für diese Verordnungen sind die Anträge spätestens vier Jahre nach Ablauf des Quartals, in das die betroffene Verordnung fällt, zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des jeweils in Prüfung stehenden Leistungsquartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet wird (Verordnungsdatum). Bezieht sich der Antrag auf Verordnungen aus mehreren Quartalen, ist der Fristbeginn für jedes Quartal gesondert zu betrachten. Ausschlaggebend für die Hemmung des Ablaufs der Frist ist die Information des Vertragsarztes über den gestellten Antrag.
Für Verordnungen ab 11.05.2019:
Durch das am 11. Mai 2019 in Kraft getretene Gesetz „für schnellere und bessere Versorgung“ Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist in § 106 Absatz 3 Satz 3 SGB V nunmehr vorgesehen, dass die Festsetzung einer Nachforderung innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen muss. D.h. der Bescheid der Gemeinsamen Prüfungsstelle muss dem Vertragsarzt vor Ablauf dieser Frist zugegangen sein.
Bagatellgrenzen
Verordnungen bis einschließlich 31.12.2016:
Der beantragte Regressbetrag muss je Arzt bzw. Einrichtung, Krankenkasse und Quartal bei mindestens 75 € Netto (bzw. 100 € Netto bei einem sonstigen Schaden) liegen.
Verordnungen ab 01.01.2017:
Der beantragte Nachforderungsbetrag muss je Arzt bzw. Einrichtung, Krankenkasse und Quartal bei mindestens 50 Euro Netto liegen
Die Prüfungsstelle informiert nach Eingang des Antrags die betroffene Praxis über die Antragsstellung und den Antragsinhalt und fordert sie zur Abgabe einer Stellungnahme auf. Der Vertragsarzt erhält damit die Möglichkeit, sich zu dem konkreten Einzelfall zu äußern und seine Gründe für die Therapieentscheidung bzw. Verordnung darzulegen. Es empfiehlt sich, entsprechende Argumente durch Dokumentationen aus der Patientenakte zu stützen.
Unter Berücksichtigung der ärztlichen Stellungnahme trifft die Prüfungsstelle schließlich die Entscheidung über die festzusetzende Maßnahme und erstellt einen Bescheid.
Es besteht die Möglichkeit keine Maßnahme, eine Beratung oder einen Regress festzusetzen.
Der betroffene Vertragsarzt, der Antragsteller sowie die übrigen Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, gegen die Entscheidung der Prüfungsstelle Widerspruch bei der zuständigen Kammer des Beschwerdeausschusses einzulegen. In einzelnen Fällen ist eine direkte Klageerhebung beim Sozialgericht vorgesehen. Der einschlägige Rechtsweg ergibt sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des Prüfbescheids.
Wird die Möglichkeit des Widerspruchs bzw. der Klageerhebung nicht genutzt, führt dies zur Bestandskraft des Bescheides und damit zum Vollzug des Regresses / der Nachforderung.
Der Vollzug des Regresses / der Nachforderung erfolgt im Rahmen der Verrechnung mit der nächsten Honorarabrechnung durch die KVBW bzw. anteilig direkt durch die Krankenkassen, soweit es sich um Verordnungen aus dem Selektivvertragsbereich handelt.
Häufige Prüfinhalte in diesem Bereich sind beispielsweise:
Einzelfallprüfung Arzneimittel:
- Verstöße gegen die Arzneimittelrichtlinie des G-BA (ab dem 01.01.2019 gilt dies auch für Verordnungen von Krankenhäusern im Bereich des Entlassmanagements)
- Verordnungen im "Off-Label-Use"
- Verordnung unwirtschaftlicher Mengen
- Verordnung sogenannter fiktiv zugelassener Arzneimittel
Sonstiger Schaden
- Verordnung während stationären Aufenthalts
- Verordnungen für einen Toten/bzw. nicht Leistungsberechtigten
- Ausstellung von Blankorezepten
- Verstoß gegen das Gebot persönlicher Leistungserbringung (Unterschrift eines anderen nicht mit der Behandlung betrauten Arztes)
Einzelfallprüfung Sprechstundenbedarf:
- bezogen auf einzelne verordnungsfähige Mittel des Sprechstundenbedarfs bezüglich der Menge und / oder des Preises (z. B. unwirtschaftlicher Packungsgrößen oder überhöhter Mengen)
- bezogen auf einzelne nichtverordnungsfähige Mittel des Sprechstundenbedarfs
- bezogen auf den Bezugsweg (z. B. Nichtwahrnehmung der wirtschaftlichsten Bezugsmöglichkeit vom Hersteller)
2. Einzelfallprüfungen von Amts wegen
Gemäß § 10 Prüfvereinbarung Baden-Württemberg führen die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen Baden-Württemberg Einzelfallprüfungen auf Einhaltung der Richtlinien nach § 92 SGB V für die von den Vertragspartnern festgelegten Prüfgegenstände der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von Amts wegen durch. Die Anlage III der AM-RL (Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse) listet Arzneimittel auf, deren Verordnung der G-BA einschränkt oder ausschließt, weil deren Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischem oder therapeutischem Nutzen verfügbar ist.
Ab dem 4. Quartal 2017 haben die Vertragspartner unten genannte Ziffern der Anlage III der AM-RL des G-BA als Prüfgegenstände vereinbart. Über diese vereinbarten Prüfgegenstände erfolgte eine Information im Rundschreiben der Kassenärztlichen Vereinigung BW vom Juni 2017.
Ziffer 6
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind Analgetika in fixer Kombination mit nicht analgetischen Wirkstoffen ausgeschlossen,
- ausgenommen Kombinationen mit Naloxon
- ausgenommen sind fixe Kombinationen mit einem Mydriatikum zur Anwendung am Auge
Darüber hinaus ist die Verordnung nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.
Ziffer 16
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind orale Antihypotonika ausgeschlossen. Die Verordnung ist nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.
Ziffer 18
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind Antiphlogistika oder Antirheumatika in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen ausgeschlossen.
- ausgenommen sind fixe Kombinationen aus einem NSAR mit einem Protonenpumpen- hemmer bei Patienten mit hohem gastroduodenalen Risiko, bei denen die Behandlung mit niedrigeren Dosen des NSAR und/ oder PPI nicht ausreichend ist
- ausgenommen sind fixe Kombinationen mit einem Mydriatikum zur Anwendung am Auge
Darüber hinaus ist die Verordnung nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.
Ziffer 26 / 40
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind Externa bei traumatisch bedingten Schwellungen, Ödemen und stumpfen Traumata bzw. Rheumamittel (Analgetika/ Antiphlogistika/ Antirheumatika) zur externen Anwendung ausgeschlossen. Die Verordnung ist nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.
Ziffer 31
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung sind Hustenmittel, die eine fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektoranzien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen darstellen, ausgeschlossen. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist eine Verordnung auch für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr unwirtschaftlich. Die Verordnung ist nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.
Ziffer 53
Von der Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung ist Dipyridamol in Kombination mit ASS ausgeschlossen. Die Verordnung ist nur ausnahmsweise in medizinisch besonders zu begründenden Einzelfällen möglich.