wirtschaftliche Antibiotikatherapie bei Harnwegsinfekten
Unkomplizierte Harnwegsinfektionen werden vorwiegend durch gramnegative bakterielle Erreger, vor allem durch Escherichia coli (E. coli) verursacht. Harnwegsinfektionen lassen sich nach Lokalisation, Symptomen und nach dem Vorliegen oder Fehlen komplizierender Faktoren einteilen. Bei einer Zystitis sind Infektion und Entzündungsreaktion auf die Blase begrenzt. Bei einer Pyelonephritis ist das Nierenparenchym betroffen. Zystitis und Pyelonephritis verursachen in der Regel klinische Symptome.
Grundlage für eine rationale Antibiotikatherapie sind die korrekte Diagnosestellung, die kritische Indikation zum Einsatz von Antibiotika, die Wahl des geeigneten Antibiotikums sowie die Verlaufskontrolle mit Festlegung der Behandlungsdauer. Eine kritische Indikationsstellung dient dem Patienten, verringert den Selektionsdruck zugunsten resistenter Erreger und senkt die Kosten.
unkomplizierte Zystitis bei Frauen
Mittel der Wahl zur empirischen Behandlung der unkomplizierten Zystitis ist bei ansonsten gesunden Frauen trotz der hohen Kosten Fosfomycin-Trometamol (Einmaltherapie), da für dieses die Erregerempfindlichkeit von E. coli hoch ist und dieses Antibiotikum nur geringe mikrobiologische Begleitschäden verursacht.
Das kostengünstige Nitrofurantoin kann bei ansonsten gesunden Frauen aufgrund bestehender Risiken zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis nur als Mittel der Reserve eingesetzt werden. Die Anwendungsdauer umfasst 5–7 Tage. Vor der Verordnung von Nitrofurantoin sollten Nieren- und Leberfunktion überprüft werden, da bei Störungen dieser Funktionen mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Unter der Therapie mit Nitrofurantoin sind Kontrollen von Blutbild, Leber- und Nierenwerten erforderlich.
Fluorchinolone (Norfloxacin, Ciprofloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin) sind zwar bei ansonsten gesunden Frauen als 3-Tagestherapie zur Behandlung der unkomplizierten Zystitis gut wirksam, aber nicht Antibiotika der ersten Wahl. Ihr Einsatz sollte zu Gunsten anderer Indikationen im Hinblick auf mögliche Resistenzbildungen und das aktuell laufende Risikobewertungsverfahren (siehe unten) begrenzt sein.
Aufgrund verbreitet hoher Resistenzraten können die kostengünstigen Chemotherapeutika Cotrimoxazol und Trimethoprim nicht mehr als ein Mittel der ersten Wahl für die empirische Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen empfohlen werden. Liegen die Resistenzraten regional nachweislich unter 20 %, ist der Einsatz von Trimethoprim (oder auch Cotrimoxazol) bei der unkomplizierten Zystitis vertretbar. Beide können als Kurzzeittherapie (3 Tage) eingesetzt werden.
Aminopenicilline + Betalaktamaseinhibitoren und orale Cephalosporine sind für die empirische Kurzzeittherapie der unkomplizierten Zystitis keine Mittel der ersten Wahl. Cephalosporine der zweiten (Cefuroxim) oder dritten Generation (z.B. Cefpodoximproxetil oder Cefixim,) können als Alternative erwogen werden, wenn andere Antibiotika nicht in Frage kommen.
unkomplizierte Pyelonephritis bei Frauen
Nur milde bis mittelschwere pyelonephritische Infektionen sollten bei ansonsten gesunden Frauen mit oralen Antibiotika behandelt werden. Bei schweren Infektionen mit systemischen Begleitsymptomen sollte die Therapie initial mit parenteralen Antibiotika begonnen werden.
Eine 1- bis 2-wöchige Therapiedauer ist bei milder oder mittelschwerer Pyelonephritis und klinisch unauffälligem Verlauf ausreichend. Mit Fluorchinolonen kann die Therapie auf 7–10 Tage und bei höheren Dosen sogar auf 5 Tage verkürzt werden.
Fluorchinolone mit guter systemischer Wirksamkeit, d. h. Ciprofloxacin oder Levofloxacin, sind Mittel der ersten Wahl bei der Pyelonephritis bei ansonsten gesunden Frauen, falls die lokale E. coli-Resistenzrate nicht deutlich über 10 % liegt.
Oralcephalosporine der dritten Generation (z.B. Cefpodoximproxetil oder Cefixim) sollten als Alternative in Erwägung gezogen werden, wenn Fluorchinolone nicht zur Anwendung kommen können.
Cotrimoxazol und Trimethoprim sollten nicht mehr zur empirischen Therapie der Pyelonephritis eingesetzt werden.
Quelle: KBV - Wirkstoff aktuell Rationale Antibiotikatherapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen (03/2017) AVP AkdÄ - Antibiotika bei Harnwegsinfektionen (11/2021)
Verordnungseinschränkung
Im Februar 2017 begann ein Risikobewertungsverfahren zu Fluorchinolon-Antibiotika aufgrund von schweren und langanhaltenden Nebenwirkungen im Bereich Muskeln, Gelenke und Nervensystem. Hierin wurden mit Beschluss vom 08.04.2019 Anwendungseinschränkungen, Veränderungen im Wortlaut der Indikationen und umfangreiche Hinweise und Warnhinweise zum Risiko für das Auftreten von schweren möglicherweise dauerhaften und die Lebensqualität beeinträchtigenden Nebenwirkungen, die insbesondere den Bewegungsapparat und das Nervensystem betreffen, festgesetzt. Betroffen sind für Deutschland die Wirkstoffe Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin und Ofloxacin in der systemischen Anwendung.
Fluorchinolone sollen nicht mehr eingesetzt werden zur Behandlung von nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen. Sie dürfen auch nicht mehr zur Prävention von Reisediarrhöe oder wiederkehrenden Blasenentzündungen verordnet werden. Bei leichten bis mittelschweren Infektionen (z.B. unkomplizierte akute Zystitis) sollten Fluorchinolone nur angewendet werden, wenn andere Antibiotika, die für die Behandlung dieser Infektionen üblicherweise empfohlen werden, für ungeeignet erachtet werden. Kontraindiziert sind sie bei Patienten, bei denen bei einer früheren Behandlung mit Fluorchinolonen schwere Nebenwirkungen aufgetreten sind.
Quelle: Risikobewertungsverfahren BfArM Fluorchinolone (05/2019); Rote-Hand-Brief: zu Fluorchinolon-Antibiotika: Schwerwiegende und anhaltende, die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise irreversible Nebenwirkungen (08.04.2019); Rote-Hand-Brief: Systemisch und inhalativ angewendete Fluorchinolone: Risiko für Aortenaneurysmen und -dissektionen (26.10.2018) Roter-Hand-Brief: Systemisch und inhalativ angewendete Fluorchinolone: Risiko einer Herzklappenregurgitation/-insuffizienz (29.10.2020)