Opiode
Schwach wirksame Opioide
Wenn nicht-opioide Arzneimittel unzureichend wirken, kann zur Behandlung starker Schmerzen die kurzfristige Gabe von Opioiden eine therapeutische Alternative sein. Schwach wirksame Opioide sind dann Mittel der ersten Wahl. Schwache wirksame Opioide nach WHO-Klassifikation II können als Monotherapie bzw. in Kombination mit Nicht-Opioiden eingesetzt werden.
Eine Kombination aus Opioiden der Stufe II und III führt aufgrund der Rezeptorkonkurrenz der Wirkstoffe zu keinem additiven Effekt und ist daher zu vermeiden.
Die Wirkung von Dihydrocodein sollte eng kontrolliert werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion ist eine Dosisanpassung entsprechend der Fachinformation erforderlich.
Tilidin ist ein Prodrug und wird erst im Körper in seine aktive Form übergeführt. Hier besteht die Möglichkeit eines genetisch bedingt reduzierten Umwandlungsprozesses. Bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz ist mit einer verminderten Wirkung zu rechnen, da die Umwandlung zum eigentlichen Wirkstoff Nortilidin nicht ausreichend erfolgt und damit eine ausreichende Analgesie in Frage gestellt wird. Bei Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung nicht notwendig.
Tilidin besitzt in hohen Dosen einen ausgeprägten euphorisierenden Effekt. Ein Sucht- und Abhängigkeitspotential wird insbesondere bei schnell freisetzenden Formulierungen vermutet. Seit Anfang 2013 unterliegen Tilidin-Tropfen daher der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung. Kombinationspräparate mit Naloxon unterliegen nur dann nicht dem Betäubungsmittelgesetz, wenn sie in festen Zubereitungen mit verzögerter Wirkstofffreigabe vorliegen.
Tramadol beeinflusst neben den analgetisch wirksamen Opiatrezeptoren auch deszendierende noradrenerge und serotonerge schmerzhemmende Bahnen.
Eine Kombination von Tramadol und Antidepressiva sollte wegen des zusätzlichen 5-Hydroxytryptamin-Wiederaufnahmehemmer-Mechanismus von Tramadol (Gefahr Serotoninsyndrom) nicht erfolgen. Tramadol fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Tramadol hat nur eine kurze Wirkdauer von 2-3 Stunden. Für die Behandlung chronischer Schmerzen ist deshalb ebenfalls nur die retardierte Form zu verwenden.
Bei schwerer Einschränkung der Nieren- und Leberfunktion soll Tramadol nicht angewendet werden.
Stark wirksame Opioide
Die Indikation zu Gabe stark wirksamer Opioide nach WHO-Klassifikation III ist beim nicht-tumorbedingten Schmerz streng zu stellen. So sind stark wirksame Opioide nur dann indiziert, wenn Nichtopioidanalgetika, schwach wirkende Opioide oder deren Kombination nicht ausreichend wirksam sind. Sind Opioide einzusetzen sollte die Gabe nach festem Zeitschema mit oralen, langwirksamen Präparaten erfolgen.
Die optimale Tagesdosis sollte eintitriert werden. Eine engmaschige Kontrolle und Anpassung des Therapieregimes ist auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden Nebenwirkungen wie z.B. Obstipation, Sedierung, Schwindel, Euphorie oder Verwirrtheit notwendig. So ist die Behandlung nach Zeitpunkt, Dosis, Ausmaß der Schmerzlinderung, bzw. Verbesserung der Funktionsfähigkeit, sowie Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen zu dokumentieren.
Das Toleranz- und Abhängigkeitsrisiko muss vom behandelnden Arzt stets beobachtet werden. Bei unzureichender Analgesie, zunehmendem Dosisbedarf und auf Dauer nicht-tolerablen Nebenwirkungen muss die Therapie abgebrochen werden. Patienten mit einer Suchtanamnese, die ein iatrogen bedingtes erhöhtes Risiko für einen Opioid-Missbrauch mit sich bringen, sollten schmerztherapeutisch bzw. suchttherapeutisch/psychiatrisch mitbetreut werden.
Mittel der ersten Wahl für chronische Schmerzen ist orales, retardiertes Morphin. Insbesondere der Metabolit Morphin-6-Glucoronid ist analgetisch wirksam. Dieser wird hauptsächlich über die Niere ausgeschieden und akkumuliert somit im Fall einer Niereninsuffizienz.
Hydromorphon ist etwa 7,5-fach stärker als Morphin. Hydromorphon ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz dem Morphin vorzuziehen, da es zu keiner Akkumulation toxischer Metabolite kommt.
Oxycodon ist 1-1,5 mal so potent wie Morphin. Oxycodon wird im Darm und in der Leber zu teilweise aktiven Metaboliten metabolisiert, die schließlich über die Niere ausgeschieden werden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Leberfunktion ist eine Dosis und Intervallanpassung erforderlich.
Die fixe Kombination von Oxycodon mit Naloxon in einem Präparat zeigt keine klinisch relevante Überlegenheit gegenüber einer Therapie mit einem Opioidmonopräparat plus zusätzlichem Laxans. Auch unter der fixen Kombination von Oxycodon mit Naloxon war ein hoher Anteil von Patienten laxantienpflichtig.
Der Zusatz von Naloxon führt durch seinen Opiatantagonismus dagegen eher zu den Symptomen des Opiatentzuges mit Schwitzen, Diarrhoe, Übelkeit, usw.
Die zugelassene Maximaldosis für die fixe Kombination von Oxycodon und Naloxon ist auf 160 mg Oxycodonhydrochlorid und 80 mg Naloxonhydrochlorid beschränkt. Dies ist von Nachteil, wenn eine höhere Dosis Oxycodon (Tagesmaximaldosis: 400 mg) zur Schmerztherapie benötigt wird.
Tapentadol ist ein zentral wirksamem Analgetikum, welches wie Tramadol sowohl als Agonist am µ-Opioid-Rezeptor als auch als Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wirkt. Tapentadol gilt als Betäubungsmittel. In der analgetischen Potenz ist es bis zu Faktor 3,3 schwächer als Morphin. Bei Patienten mit stark eingeschränkter Leber- und Nierenfunktion wird der Einsatz nicht empfohlen.
Ein Vorteil von Tapentadol gegenüber einem reinen Opioid ist nicht belegt, insbesondere nicht gegenüber von Standardtherapeutika wie Morphin. Ungeklärt ist auch die Langzeitsicherheit von Tapentadol. Die AkdÄ und KBV ordnen das Arzneimittel als Reservetherapeutikum ein.
Fentanyl ist ein reiner µ-Rezeptoragonist und etwa 100-fach wirkstärker als Morphin. Es wird bei chronischen Schmerzen vorzugsweise als Pflaster eingesetzt. Fentanyl wird hauptsächlich über die Leber (Cytochrom –P450-3A4) metabolisiert und als inaktive Substanzen über die Niere ausgeschieden. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich, dagegen sehr wohl bei Patienten mit schwerer Leberinsuffizienz. Durch den Abbau über CYP3A4 ist ein hohes Potential für Interaktionen mit anderen Pharmaka gegeben, die das Enzym hemmen: Bei der Gabe von Erythromycin, Itraconazol, Ketaconazol, Diltiazem, Cimetidn, Ritonavir ist mit einer verstärkten Fentanylwirkung zu rechnen.
Vor Anwendung eines Fentanylpflasters sollte geprüft werden, ob ein oral zu verabreichendes Opioid oder gar eine andere analgetische Therapie indiziert ist.
Buprenorphin weist in der transdermalen und sublingualen Form eine bis zu 115 mal höhere Potenz als peroral verabreichtes Morphin auf. Als Pflaster liegt die Wirkdauer bei 72 bis 96 h, bei einer HWZ von 30 h nach Pflasterentfernung. Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Dosisanpassung auch bei höherer Dosierung nicht erforderlich, dagegen aber bei schweren Leberfunktionsstörungen.
Aus medizinischer Sicht ist in jedem Falle eine engmaschige Kontrolle der Leber- und Nierenfunktion im Verlauf einer Opioidtherapie erforderlich.