5. Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (EF< 40%)

5.1 Empagliflozin (Jardiance®)

5.1.1    Indikation

Empagliflozin ist seit Juni 2021 zur Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion, d.h. bei linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) bis maximal 40%, zugelassen.


5.1.2    Evidenz

Der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin ist auf Basis der der EMPEROR-Reduced-Studie unabhängig vom Vorliegen eines Typ-2-Diabetes für die Indikation der chronischen Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion zugelassen. Entsprechende Empfehlungen finden sich in nationalen und internationalen Leitlinien.

Die EMPEROR-Reduced-Studie ist eine multizentrische, doppelblinde, randomisierte und kontrollierte Studie. An der Studie nahmen 3730 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und reduzierter (= 40 %) linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) teil. Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 auf die einmal tägliche Gabe von Empagliflozin 10 mg oder Placebo verteilt, zusätzlich zu einer individuell optimierten Standardtherapie der Herzinsuffizienz. Die mediane Dauer der Behandlung betrug in beiden Gruppen 16 Monate.
75 % der Studienpopulation waren zu Beginn der Studie im NYHA-Stadium II, knapp ein Viertel im NYHA-Stadium III. Patienten im NYHA-Stadium IV waren mit weniger als 1 % vertreten. Die Hälfte der Patienten hatte außerdem einen Diabetes mellitus Typ 2. 
Zu Beginn der Studie erhielten fast alle Patienten eine Kombinationstherapie, bestehend aus einem ACE-Hemmer (Angiotensin-Converting-Enzym) oder ARB (Angiotensin-Rezeptor-Blocker), einen Betablocker und ein oder mehrere Diuretika. Etwa 70 % erhielten außerdem einen MRA (Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist). Ein ARNI (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor) wurde 19 % der Patienten zu Beginn der Studie verabreicht, während weitere 7 % im Laufe der Studie erneut mit einem ARNI behandelt wurden.
Beim primären Endpunkt, der Kombination aus kardiovaskulärem Tod und Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz, zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten von Empagliflozin (19,4 % vs. 24,7 %; relatives Risiko (RR) 0,75 (95 % Konfidenzintervall [CI] 0,65-0,86; p < 0,001). Dieser Unterschied war fast ausschließlich auf eine Verringerung der herzinsuffizienzbedingten Krankenhausaufenthalte zurückzuführen (13,2 % vs. 18,3 %; RR 0,69; KI 0,59-0,81; p < 0,001). Weder die Gesamtsterblichkeit noch die kardiovaskuläre Sterblichkeit wurden durch Empagliflozin signifikant beeinflusst. 


5.1.3    Sicherheitsprofil

Genitalinfektionen waren unter Empagliflozin in der EMPEROR-Reduced-Studie signifikant gehäuft (1,7 % vs. 0,6 %). Die signifikant höhere Rate an potentiell lebensbedrohlichen ventrikulären Tachykardien unter Empagliflozin (3,0 % vs. 2,0 %) scheint relevant zu sein, steht jedoch im Widerspruch zu entsprechenden Daten der DAPA-HF-Studie, in der das Risiko für ventrikuläre Tachykardien mit Dapagliflozin in einer ähnlichen Patientenpopulation numerisch reduziert war (1,9 % vs. 2,7 %, p = 0,055).
 

5.1.4    Frühe Nutzenbewertung gemäß §35a SGB V

Das IQWiG sah lediglich einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen. Kritisiert wurde die angewandte Vergleichstherapie in der Studie EMPEROR-Reduced. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Zielpopulation wurde ebenfalls angezweifelt. Die ZVT wurde nach Einschätzung des IQWiG nur eingeschränkt umgesetzt. Nach Einschätzung der AkdÄ bestand ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen. Der G-BA beschloss einen Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen 
[https://www.g-ba.de/downloads/39-261-5228/2022-01-06_AM-RL-XII_Empagliflozin_D-704_BAnz.pdf].


5.1.5    Bundesweite Praxisbesonderheit

Die Verordnungen von Jardiance® (Wirkstoff: Empagliflozin) in dem Anwendungsgebiet „Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion“ – unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes mellitus – sind ab dem 01.01.2023 nach § 130b Abs. 2 SGB V von der Prüfungsstelle im Anwendungsgebiet mit einem Zusatznutzen laut G-BA-Beschluss vom 06.01.2022 ab dem ersten Behandlungsfall als Praxisbesonderheiten anzuerkennen. Die Ärzte sind hiermit nicht von den einzuhaltenden Vorgaben aus § 12 SGB V und § 9 der Arzneimittelrichtlinie entbunden.
[https://www.gkv-spitzenver-band.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/arzneimittel/amnog_praxisbesonderheiten/14034pb20170301.pdf]
 

5.2 Dapagliflozin (Forxiga®)

5.2.1    Indikation

Dapagliflozin ist seit November 2020 zur Behandlung von Erwachsenen mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion, d.h. bei linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) bis maximal 40% zugelassen.


5.2.2    Evidenz

Die Zulassung basiert auf der im November 2019 im New England Journal of Medicine publizierten multizentrischen, doppelblinden, randomisiert- kontrollierten DAPA- HF Studie. 

Eingeschlossen wurden 4744 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz im NYHA- Stadium II- IV und einer LVEF bis maximal 40%. Etwa zwei Drittel der eingeschlossenen Studienteilnehmer wiesen ein NYHA- Stadium II, ein Drittel ein NYHA- Stadium III und lediglich 1% ein NYHA- Stadium IV auf. 45% waren Typ 2- Diabetiker. Ausschlusskriterien waren ein Typ-1- Diabetes, eine symptomatische Hypotonie respektive ein systolischer RR < 95 mm Hg sowie eine eGFR < 30 ml/min/1,73m2. Außerdem eine kurz zurückliegende Behandlung oder ausgeprägte Nebenwirkung bei einer früheren Behandlung mit SGLT-2- Hemmern. Unter Fortsetzung der bisherigen leitliniengerechten medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie doppelblind entweder 10 mg Dapagliflozin/Tag oder Placebo. Der primäre Studienendpunkt war zusammengesetzt aus kardiovaskulärem Tod und einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz (ungeplante Hospitalisierung oder notfallmäßige iv-Therapie der Herzinsuffizienz). Sekundäre Endpunkte umfassten u.a. die Anzahl der Klinikaufenthalte (auch wiederholte), einen Herzinsuffizienz-Symptomscore, unerwünschte Wirkungen wie Ketoazidose, Fourniergangrän oder Amputation sowie eine Verschlechterung der Nierenfunktion. Der primäre EP wurde im Dapagliflozin-Arm von 16,3%, im Placebo-Arm von 21,2% erreicht (HR 0,74, 95% CI 0,65- 0,85, p 0,001). Die ARR betrug 4,9%, die NNT 21. Dapagliflozin senkte gegenüber Placebo die Gesamtsterblichkeit (11,6% vs. 13,9%, NNT 65/Jahr). Auch die Einzelkomponenten des primären EP waren unter Verumtherapie seltener. Hospitalisierung wegen HI 9,7% vs. 13,4% (HR 0,7, 95% CI 0,59- 0,83), notfallmäßige iv-Behandlung wegen HI-Verschlechterung 0,4% vs. 1,0% (HR 0,43, 95% CI 0,20- 0,90), Kardiovaskuläre Mortalität 9,6% vs. 11,5% (HR 0,82, 95% CI 0,69- 0,98). Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium III oder IV scheinen jedoch weniger zu profitieren (HR 0,90) als solche im Stadium NYHA II (HR 0,63).
Ansonsten war ein Nutzen von Dapaglifozin in allen anderen vordefinierten Subpopulationen nachweisbar sowohl bei Diabetikern als auch bei Nichtdiabetikern.


5.2.3    Sicherheitsprofil

In beiden Armen von DAPA-HF wurde die Studienmedikation von etwa jedem zehnten Patienten abgesetzt, davon wegen unerwünschter Wirkungen in 4,7% im Dapagliflozin-Arm und in 4,9% im Placebo-Arm. Bei keinem der untersuchten Sicherheitsendpunkte (u.a. Volumenverlust oder renale NW) schnitt Dapagliflozin schlechter als Placebo ab. Hypoglykämien und symptomatische Hypotensionen waren mit 0,2% sehr selten. Bei drei Patienten wurde unter Dapagliflozin eine diabetische Ketoazidose festgestellt (0,1%), hingegen bei keinem Patienten im Placebo- Arm. Einschränkend ist zu bemerken, dass unerwünschte Wirkungen nur dann erhoben wurden, wenn sie zum Therapieabbruch oder einer Dosisreduktion zwangen oder einer prädefinierten Auswahl entsprachen.


5.2.4    Frühe Nutzenbewertung gemäß §35a SGB

Der GBA beschloss am 20.Mai 2021 bei der Behandlung Erwachsener mit einer symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion mit Dapagliflozin gegenüber der ZVT (eine optimierte Standardtherapie zur Behandlung der symptomatischen, chronischen Herzinsuffizienz und der zugrundeliegenden Erkrankungen, wie z. B. Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, Koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie sowie der Begleitsymptome) einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen 
[https://www.g-ba.de/downloads/39-261-4846/2021-05-20_AM-RL-XII_Dapagliflozin_D-613_BAnz.pdf].


5.2.5    Bundesweite Praxisbesonderheit

Bislang keine Vereinbarung zwischen dem pU und dem GKV-Spitzenverband
 

5.3 Wichtig: Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnung

Wurde in der Vorversion der NVL „Chronische Herzinsuffizienz“ bei der Behandlung von herzinsuffizienten Patienten mit eingeschränkter Ejektionsfraktion noch eine symptomorientierte Stufentherapie empfohlen, wird davon abweichend in der aktuellen Version 4.0 vom Dezember 2023 eine Kombination aus vier prognoseverbessernden Substanzklassen empfohlen. Diese umfassen

  • Inhibitoren des Renin- Angiotensin- System/ RASi (ACE- Hemmer/ ACEi, Angiotensin- Rezeptor- Blocker/ ARB und Angiotensin- Rezeptor- Neprilysin- Inhibitoren/ARNI),
  • Betarezeptorenblocker/BB
  • Mineralkortikoidrezeptorantagonisten/MRA und 
  • SGLT-2-Hemmer/ SGLT2i. 

Die Auswahl, Reihenfolge und Dosierung der Substanzklassen soll sich am Nebenwirkungsspektrum, Kontraindikationen, vorliegenden Komorbiditäten und der individuellen Verträglichkeit orientieren. 
Ein Einsatz aller vier prognoseverbessernden Substanzklassen kann in Einzelfällen, soweit dies mit individuellen Therapiezielen, Komorbiditäten und Verträglichkeit vereinbar ist, zeitgleich erfolgen. Eine additive Wirkung der Substanzklassen wird angenommen. Gegen eine frühzeitige Vierfachkombination und für eine symptom- und progressionsorientierte Stufentherapie benennt die Leitliniengruppe Bedenken bezüglich einer Übertherapie und v.a. in der ambulanten Versorgung Sicherheitsprobleme bei der Initiierung aller vier Substanzklassen.
Kein Konsens bestand innerhalb der Leitliniengruppe darin, ob bei Patienten mit stabiler de novo Herzinsuffizienz NYHA II eine Vierfachtherapie initiiert oder eine Stufentherapie, beginnend mit zwei prognoseverbessernden Substanzen ausreichend ist, sofern darunter ein Stadium NYHA I erreicht werden kann.
Für eine initiale Vierfachkombination liegen keine direkte Evidenz vor, ebenso wenig Vergleichsdaten zur bisher empfohlenen Stufentherapie. Ausgehend vom hohen Empfehlungsgrad der NVL-Autorengruppe ist bei der praktischen Durchführung einer medikamentösen Therapie eine sukzessive Initiierung mit nicht > als zwei Substanzen gleichzeitig in der Regel ausreichend. Empfohlen wird weiterhin eine Titrierung in 2- 4- wöchentlichen Intervallen bis zur Ziel- oder individuell höchst verträglichen Dosis unter engmaschiger Überwachung. Eine Evaluation des Therapieeffektes und die Entscheidung über eine weitere Therapieintensivierung wird nach 6, spätestens jedoch 12 Wochen empfohlen. Die eingeschränkte Kongruenz von Studienpopulation und ambulant versorgter Praxispopulation (externe Evidenz) betrifft alle vier prognoseverbessernden Substanzklassen und erschwert Aussagen zu Sicherheit und Effektivität. Ebenso wenig entsprechen Design und Datenlage von PARADIGM- HF einem first- line Einsatz von Sacubutril/ Valsartan. Auch in EMPEROR- Reduced und DAPA-HF waren nahezu alle Patienten mit RASi, BB und/oder MRA vorbehandelt.

Für den Fall, dass eine Entscheidung für eine Stufentherapie bei chronisch stabilen Patienten mit NYHA II getroffen wird, stellt die Leitliniengruppe die Wahl der initialen zwei Substanzen ausdrücklich frei. In der Versorgungspraxis sollte jedoch, sofern keine entsprechenden Kontraindikationen vorliegen, mit einer Kombination aus RASi+Betablocker begonnen werden, da eine direkte und konsistente Evidenz vorhanden ist.
Der initiale Einsatz von SGLT-2-Inhibitoren, die keine Titration erfordern erscheint der Leitliniengruppe insbesondere bei Vorliegen von Koindikationen wie Diabetes oder Nierenerkrankungen, aber auch bei hohem Progressionsrisiko oder bei Kontraindikationen für andere prognoseverbessernde Substanzgruppen sinnvoll. Bisher gibt es jedoch keine Evidenz für eine Behandlung mit SGLT-2-Hemmern ohne RASi+Betablocker bei Herzinsuffizienz (nur bei Diabetes).
Dapagliflozin senkte in der DAPA-HF-Studie sowohl die kardiovaskuläre als auch die Gesamtmortalität und verbesserte die Morbidität. Allerdings profitieren nur Patientinnen und Patienten in einem frühen Stadium der Herzinsuffizienz (NYHA- Klasse II). Laut Einschätzung des G-BA ist jedoch eine sichere Abgrenzung zwischen den NYHA-Klassen II und III nicht möglich, weswegen das Ausmaß des Zusatznutzens für die Gesamtpopulation als beträchtlich eingestuft wurde. Zu beachten ist, dass lediglich Dapagliflozin in der pivotalen Studie einen lebensverlängernden Effekt nachwies und deswegen vorrangig eingesetzt werden soll.

Bitte beachten Sie den vorrangigen Einsatz von verfügbaren Generika und bestehende Rabattverträge. 
Empagliflozin (Jardiance®) ist seit dem 01.01.2023 von der Prüfungsstelle als bundesweite Praxisbesonderheit anzuerkennen (Indikation s. 5.1.5).
Beachten Sie, dass die Verordnung von Sacubitril/Valsartan (Entresto®) seit dem 16.06.2016 nur bei Patienten mit symptomatischer, chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion als Praxisbesonderheit anerkannt werden kann, die zuvor mit einem ACE-Hemmer oder einem AT1-Rezeptorblocker (ggf. in Kombination mit einem Betablocker und/oder Aldosteronantagonisten) behandelt worden sind [https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/arzneimittel/amnog_praxisbesonderheiten/16005pb20170101.pdf]. 
Siehe hierzu auch: Zielvereinbarung KVBW, https://www.kvbawue.de/api-file-fetcher?fid=4764